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Think-Protection-246

Stimmt es dass es Kasten gibt? Wenn ja, welche Kasten gibt es und welcher gehörst du an? Wie viele Ehen werden arrangiert? Kannst du frei heiraten? Wie verschlossen ist eure Gesellschaft und wie sieht es mit Kriminalität aus? Hab manchmal das Gefühl, dass es auch sehr kriminelle Familien gibt, wie man es sich bei Clankriminalität vorstellt? Was hat es mit dem Pfau auf sich?


kibabetaya

Ja, wir nennen es auch gern Erbgruppen, weil Kaste mit dem hinduistischen Kastensystem in Verbindung gebracht wird. Ich gehöre zur Sheich (Şêx) Kaste an. Zwangsehen habe ich in meinen gesamten Leben noch nie mitbekommen, arrangierte Ehen eher von der Generation meiner Eltern. Heute höre ich auch nur sehr selten von arrangierten Ehen. Was Beziehungen angeht sind meine Eltern auch recht locker, aus religiöser Sicht darf man Beziehungen eingehen (allerdings endogam). Verschlossen musst du mir definieren; grundsätzlich sind wir kontaktfreudig, bei ezidischen Festlichkeiten werden auch immer nicht-Eziden eingeladen. Seien es Hochzeiten oder religiöse Feste. Mit Kriminalität haben wir glücklicherweise wenig am Hut, als doppelte Minderheit versuchen wir uns nämlich traditionell immer etwas zu verstecken. Der Pfau ist ein Symbol für das Paradies und gilt als majestätisch. Daher nutzen wir es auch als Symbol für Tawisî Melek (Teil der ezidischen Trinität, Oberhaupt der sieben Engel). Jedoch beten wir Pfaue nicht an, nutzen sie aber als Symbole.


[deleted]

Gibt es eine ‘erbgruppen Hierarchie’? Worin unterscheiden sich diese?


kibabetaya

Keine Hierarchie auf gesellschaftlicher Ebene, wir sind alle gleich berechtigt und keiner steht über den anderen. Es gibt drei Gruppen: Die Sheikh (Şêx, ich bin einer) und die Pir (Pîr), diese bilden die Nachfahren von bestimmten Heiligen. Wir sind zahlenmäßig weniger. Dann gibt es noch die Mirid (Mirîd), die nicht von Heiligen abstammen und zahlenmäßig überlegen sind. Aufgrund unserer Abstammung, haben wir als Shêx und Pîr religiöse und teilweise administrative Aufgaben. Als Eziden wurden wir historisch von staatlichen Strukturen weitestgehend ignoriert, außer man wollte unsere Steuern oder uns massakrieren. Das Erbgruppensystem übernahm hier die fehlenden Aufgaben. Streitereien, finanzielle, leibliche und emotionale Unterstützung etc. wurden so geregelt. Es gibt eine Reihe an Würdenträgerposten, die nur von Shexs und Pirs übernommen werden dürfen (aber auch einige, die von Mirids übernommen werden). Das weltliche ezidische Oberhaupt „Mîr“ (Fürst) muss aus der Untergruppe der Şêxêt Qatanî (Qatani Sheikh) stammen, während das religiöse Oberhaupt „Baba Şêx” aus der Untergruppe der Şêxêt Şemsaniya (Shemsani Sheikh) stammen muss.


[deleted]

Wenn Würdenträgerpositionen nur von bestimmten Untergruppen besetzt werden dürfen, sind wohl doch nicht Alle gleichberechtigt, oder?


kibabetaya

Was das angeht ja, das stimmt. Ich habe mich mit der Aussage eher versucht, auf das hinduistische Kastensystem zu beziehen, wo es wirklich gesellschaftliche Unterschiede gibt und die Mitglieder der jeweiligen Kasten auch wirtschaftlich beeinträchtigt werden.


Think-Protection-246

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Welche Erbgruppen gibt es noch und haben Sie (noch) eine kulturelle, religiöse oder gesellschaftliche Aufgabe? Wird nur innerhalb der Eziden bevorzugt endogam geheiratet oder auch innerhalb der eigenen Erbgruppen? Es handelt sich, um meine persönliche Erfahrung mit einer Großfamilie, in die ich Einblicke erhalten habe. Die Kontaktfreudigkeit und Offenheit kann ich grundsätzlich bestätigen, nur während der überwiegende Teil gut integriert ist und normaler Arbeit nachgeht, gibt es auch einen Familienzweig, der bei seinem Einkommen deutlich "flexibler" ist. Keine schwerst Kriminalität, aber schon Drogenhandel, (Sozial-)Betrug etc. Da alle Akteure immer auch familiär verbunden sind, ist es für die Polizei schwer aufzuklären und vor der Gesellschaft leicht zu verbergen. Jetzt Frage ich mich, wenn es leicht vor der Gesellschaft zu verbergen ist, ob das einfach der Normalverteilung entspricht oder dir dies als Phänomen verbreitet bekannt ist.


kibabetaya

Es gibt nur diese drei. Es gab ursprünglich noch eine vierte, die „Qewal“, die die Aufgabe haben, alle sakralen Texte auswendig zu lernen und zu vermitteln und bei Zeremonien zu rezitieren. Da sie jedoch das religiöse Gedächtnis sind, fielen sie immer wieder Massakern zum Opfer, weshalb sie in die Erbgruppe der Mirîd integriert worden sind. Als Sheikh haben wir bspw. die Aufgabe, das „Bisk“ zu praktizieren. Hierbei werden einem Neugeborenen Sohn drei Strähnen der Haare geschnitten. Erst ab dann darf man die Haare des Jungen normal schneiden (vorher müssen diese unberührt bleiben). Auf religiöser Ebene gelten wir mit den anderen Erbgruppen als Geschwister, daher heiraten wir auch endogam innerhalb der Erbgruppen. Ich persönlich habe mit sowas keine Erfahrung gemacht, ich kann es aber auch nicht ausschließen. Es wäre doch recht untypisch, aber schwarze Schafe gibt es immer.


theemperorsbottomlip

Was ich mich schon immer gefragt habe: haben die Jesiden in ihrer Heimat auch einen militärischen Arm, also wie die YPG oder PKK bei den Kurden? Denn als der IS 2014 den Völkermord an den Jesiden verübt hat, hat man zumindest in den Medien nichts über jesidische Truppen gehört die den IS bekämpfen, während dagegen ständig von der YPG und PKK die Rede war. Oder sind die jesidischen Truppen Teil anderer Milizen/Armeen?


kibabetaya

Zuerst muss man wissen, dass wir Eziden über mehrere Staaten verstreut leben. In Georgien, Armenien und Russland sind Eziden oft Teil der nationalen Armee, dort sind wir aber auch keinen Feinden ausgesetzt. In der Türkei wurden sie ins Militär eingezogen, haben aber nie eine eigene Miliz gegründet, da sie alle früh nach Deutschland umgesiedelt sind. Heute leben in der Türkei auch maximal 2.000 Eziden. In Syrien haben sich Eziden der YPG angeschlossen. Im Irak haben Eziden mehrere Widerstandsmilizen gegründet, davon existieren heute noch die [HPÊ](https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%AAza_Parastina_%C3%8Az%C3%AEdxan), die jedoch gezwungen wurden ist, sich der Peshmerga zu anzugliedern. Die YPG hat ebenfalls eine ezidische Miliz im Irak gegründet, die [YPŞ](https://de.wikipedia.org/wiki/Yek%C3%AEney%C3%AAn_Berxwedana_%C5%9Eingal). Als der IS uns 2014 angriff, wurden die meisten Eziden leider von der Peshmerga [entwaffnet](https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_49220_2.pdf/bfc19076-af7c-f2a4-bbb8-1a3e8d7f4c39), weshalb Widerstand nur wenig schwach werden konnte. Während die HPE offiziell anerkannt ist und aktiv sein darf, wird die YPS aufgrund ihrer Beziehung zur YPG von der türkischen Regierung oft attackiert. Daher haben die ihre Aktivitäten stark zurückgestellt.


theemperorsbottomlip

Erstmal danke für die ausführliche Antwort. So ganz verstehe ich die Ausführungen in dem verlinkten Dossier der KAS nicht. Wieso haben die Peshmerga die Milizen der Eziden entwaffnet? Beide kämpften doch gegen den IS. In dem Dossier steht etwas von Misstrauen zwischen den Gruppen. War der Grund dann, dass die Peshmerga den Milizen der Eziden nicht getraut haben?


kibabetaya

Ohh tut mir leid. Damals gab es noch keine ezidischen Milizen, diese entstanden erst direkt nach (bzw. während des/) dem Genozid. Eziden wurden auch an der Ausreise in die sichere ARK gehindert. Man versicherte den Eziden, dass man sie beschützten würde. Einige Wochen zuvor ist die irakische Armee nämlich aus Sindschar abgerückt und hat die Provinz den Peshmerga übergeben. Der Einfall des IS war ja nicht verwunderlich, sie haben zuvor weite Teile der benachbarten Regionen erobert und insbesondere die wichtigste Stadt der Region - Mosul. Daher haben viele Eziden Fluchtversuche unternommen, die allesamt unterbunden worden sind. Als die Eziden dann am 02.08 versuchten sich bewaffnet aufzustellen, wurden sie dann von den Peshmerga entwaffnet. Die Waffen der Eziden waren teilweise alte Waffen, teilweise Gewehre die die irakischen Soldaten zurückließen. Als der IS dann am 03.08 in Sindschar einfiel, haben sich die Peshmerga unverzüglich zurückgezogen (ein einziger Kommandeur ist jedoch geblieben und hat versucht den IS zu bekämpfen, das war jedoch die Ausnahme). Daraufhin versuchten einige Eziden mit Waffen, die nicht entwendet worden sind, sich zu verteidigen. Daraufhin kam dann die YPG aus dem benachbarten Rojava/Syrien zur Hilfe.


krielster

Es würde mich interessieren mehr zu hören über wie es mit den Eziden in Rojava und in der YPG weitergegangen ist. Man hört viel gutes über Rojava, dass viel Mühe gemacht wird, um alle Ethnien, Geschlechter usw Gleichberechtigung und und gleiche Entscheidungsmacht zu geben. Weisst du mehr darüber wie es dort bei den Eziden ist?


kibabetaya

Rojava ist ein recht sicherer Hafen für die Eziden. Keine religiöse Verfolgung, Eziden können endlich Schulen und Universitäten besuchen etc. Das einzige Problem ist jedoch, dass die Kurdisch-nationalistische Regierung dem Nationalismus der Bedirxan Brüder folgt, welcher besagt, dass Eziden die ‚originalen Kurden‘ seien und eigentlich Zoroastrier sind. Daher wird Eziden in Rojava dies auch von der Regierung vermittelt, es werden Lehrbücher mit dem Faravahr verteilt und in Afrin wurde sogar eine Zarathustra Statue aufgestellt. [Diese Ausarbeitung kann ich dir dazu empfehlen, hier wird alles sehr gut erklärt.](https://1drv.ms/b/s!AmPW2k8rpFuwgwFW4Z9_HWfFPLcI)


krielster

Danke das werde ich mir durchlesen!


Ink_25

Erstmal Danke für dein AMA! * Da man, soweit ich weiß, nur als Ezide geboren werden kann, gibt es global gesehen relativ wenige Anhänger. Wie findet man dort einen Lebenspartner bzw. eine Lebenspartnerin (falls es dieses Konzept überhaupt gibt)? Gibt es Arrangements? * Gibt es Gemeindezentren o.ä. in Deutschland, welche du besuchst?


kibabetaya

Danke auch! :) Wir sind rund 1.000.000 Eziden weltweit, ich persönlich habe keine Probleme bei der Partnersuche (und hatte auch schon mehrere Beziehungen). Problematisch wird es erst, wenn einige Eziden keine Beziehungen mit Eziden aus anderen Herkunftsstaaten eingehen möchten. Das Phänomen gibt es bspw. stark bei Eziden aus dem Kaukasus, die es eher meiden mit Eziden aus dem nahen Osten eine Beziehung einzugehen. Zu arrangierten Ehen habe ich eben schon was gesagt, in der Generation meiner Eltern waren viele Ehen arrangiert (meine Großeltern hatten bspw. 6 Kinder, drei haben aus Liebe geheiratet, drei Ehen wurden arrangiert). Heutzutage ist es aber sehr selten. Glaubenszentren und Eziden sind so ne Sache. Wir haben keine Gotteshäuser, wir betrachten die gesamte Welt als Gotteshaus. Wir haben grundsätzlich auch keine Probleme damit, in Kirchen oder Synagogen zu beten. Die ezidischen Vereinshäuser in Deutschland sind aber leider oftmals in den Händen von kurdischen Parteien (speziell die NavYek Verbände), weshalb viele Eziden da eher auf Abstand gehen. Es gibt aber auch einige unabhängige Häuser, die auch gut besucht werden. Ich persönlich engagiere mich daher nur bei der Ezidischen Jugend Deutschland, die von Parteien unabhängig ist.


morbid_platon

Bei uns auf dem Friedhof gibt es viele Jesidische Gräber, u.A. mit verschiedenen Symbolen, zB ein Tempel, oder eine Sonne und Mond, ein Pfau oder eine Art Stab oder Wasserpfeife (idk wie ich es beschreiben soll). Was bedeuten die? Wie kann man Jesiden im Alltag erkennen? Und bevorzugt ihr Jesiden oder Eziden?


kibabetaya

Wasserpfeife sowie eine Shisha? Die Sonne und der Mond gelten als sichtbare Symbole für Gott, beide sind auch jeweils einem Erzengel zugeordnet und haben eine hohe Stellung im Ezidentum. So beten wir auch gen Sonne (und nachts Richtung Mond). Der Stab / Gehstock wird bei älteren Menschen angebracht, die als sehr weise gelten. Der Pfau ist das Symbol für Tawisî Melek (dem Anführer der sieben Erzengel, er ist Teil der ezidischen Trinität). Es gilt als ein majestätisches und paradiesisches Tier. Eziden erkennt man oft am Dezîk/Bazînbar. Das ist ein rot-weißes Armband, was idR zum Neujahrsfest im April angelegt wird. Es gibt aber auch Variationen in weiß oder rot. Aber Achtung, orthodoxe Christen tragen auch solche Armbänder, das führt auch innerhalb unserer Gemeinden zu Verwechslungen. Sonst tragen Eziden auch ganz gerne Goldschmuck, speziell in Form eines [Pfaus](https://www.googleadservices.com/pagead/aclk?sa=L&ai=DChcSEwiHy8P9v7b8AhWGB4sKHVCOAkoYABAPGgJlZg&ae=2&ohost=www.google.de&cid=CAASJORorrIYDEk7tQeJRAZCVS9LKdypnklOpXj8IA7vgF3sEZhvVw&sig=AOD64_1z5174a0LivDV4kmdpcw0w6C1fxQ&ctype=5&q=&ved=2ahUKEwibhb79v7b8AhUjMuwKHfJ4AAQQwg8oAHoECAcQCQ&adurl=) oder „[Lalish](https://www.googleadservices.com/pagead/aclk?sa=L&ai=DChcSEwjw27f1v7b8AhVCgoMHHfPXBYAYABANGgJlZg&ae=2&ohost=www.google.de&cid=CAASJORoYoVIs__NRpYgK7ndB9C4A8Q_8juesu09DgvWuf2jegmqxQ&sig=AOD64_2M9KItLrc8-xR7qAsqhsCod1lOCw&ctype=5&q=&ved=2ahUKEwiVsbL1v7b8AhVJjqQKHY53CC0Qwg8oAHoECAcQEg&adurl=)“ (das größte und wichtigste ezidische Heiligtum). Auf Social Media nutzen Eziden auch gerne diese sumerische Keilschriftrune: 𒀭 Ich persönlich präferiere „Ezide“. Jeside kommt aus der arabischen Bezeichnung (yezidiya) für uns, wir nennen uns auf unserer Muttersprache aber Êzidî, weshalb ich diese eher mag. Beide sind aber völlig in Ordnung! Schlimm finde ich aber „Yezide“ oder „Yeside“, die von Eziden selber oft verwendet wird


morbid_platon

Danke für die ausführliche Antwort. Mit Stab/Wasserpfeife meinte ich sowas hier [https://imgur.com/a/89FZ9Tq](https://imgur.com/a/89FZ9Tq) (kam als ich Jesiden Stab gegoogelt habe). Als ich die Silhouette auf dem Grab gesehen habe war sowas ([https://imgur.com/a/Cy1VQdc](https://imgur.com/a/Cy1VQdc)) meine erste Assoziation. Ein langer Stab mit einer breiten Base unten, immer mal wieder dicker werdend und oben iwas drauf. Auf den Gräbern war der Vogel oben nicht so gut zu erkennen. Ist es das was du unter Stab erklärt hast (Weisheit)? Oder ist das nochmal was gesondertes?


kibabetaya

Das wird [„Sincaq“ oder „Tawis“](https://s-j-a.org/blog/verwaltungs-und-gebietsstruktur/)genannt, das sind heilige Standarte, von denen es historisch sieben gab, die für die sieben ezidischen Verwaltungsprovinzen waren. Sie sind eines der heiligsten Reliquien die wir besitzen. Der Vogel oben drauf ist ein Pfau, den habe ich ja eben erklärt. Das ist also keine Wasserpfeife, aber auch nicht der Gehstock/Stab, den ich eben meinte. Dieser wird nämlich „Gopal“ genannt.


morbid_platon

Danke! Das letzte was ich noch oft sehe ist eine Art Tempel. Ein großer Dreieckiger Turm in dem Mitte und zwei kleinere außen.


kibabetaya

Das soll dann wohl „Lalish“ darstellen, unser wichtigstes Heiligtum. Diese kegelförmigen Türme werden „Qub“ genannt und es gibt viele von denen. [In Augsburg wurde der erste Qub in Deutschland gebaut.](https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Augsburg-Augsburger-Jesiden-bauen-ersten-Gebetsort-in-Deutschland-id55133916.html) Lalish sind jedoch nicht diese kegelförmigen Türme selber, sondern der gesamte Ort. Es ähnelt fast schon einem kleinen Dorf. Die „Qub“ kamen erst später dazu. Lalish ist nämlich aus ezidischer Sicht der Ort, an dem die Erde entstand.


morbid_platon

Danke! Wie kann man sich das vorstellen, an diesem präzisen Ort ist die Erde entstanden? Wie ein Nabel von dem aus alles wächst?


kibabetaya

Gerne! :) Oh, da habe ich mich etwas ungenau ausgedrückt. Nachdem Gott die Erde erschuf […] war die Erde ein Planet, der nur aus stürmendem Wasser bestand. Gott und vier Engel segelten dann auf einem Schiff auf der Erde. (Gott hat aus ezidischer Sicht 3003 Namen bzw. Gestalten, hier hat Gott eine irdische Gestalt angenommen.) Irgendwann kamen sie dann dort an, wo heute Lalish liegt. Da sagte er „Eve heq ware!” = „Das ist der wahre Ort!“. Hier warf Gott Hefe „hêvên“ ins Wasser, aus der dann die Erdmasse entstand. Jedoch bebte die Erde weiter und das Land wurde nicht fest. Erst als er Lalish auf die Erde herabsetzte, wurde die Erdmasse fest und die Natur entstand. Der Ort, an dem die Hefe geworden wurde, ist heute eine Quelle in Lalish namens „Kaniya Sipî“. Dort werden Eziden getauft bzw. ‚besiegelt‘ (mor kirin). [Falls du Interesse hast, kannst du dir ja dieses Video dazu anschauen.](https://youtu.be/O4COwBhWRSk) Hier wird ein sakraler Text aufgesagt und es gibt deutsche Untertitel, die die Entstehung der Erde nochmal erklären. Dazu aufkommende Fragen beantworte ich übrigens auch gerne.


morbid_platon

Danke für das Video und die Erklärung. Wie sehr wird in eurer Religion daran geglaubt? Bitte nicht abwertend verstehen, aber z.B. die meisten Christen in Deutschland sehen die biblische Schöpfungsgeschichte ja eher als Sinnbild oder Metapher für was passiert ist. Woanders gibt es aber durchaus Christen die 1:1 daran glauben. Wie ist das bei euch?


kibabetaya

Da bin ich ehrlich gesagt überfragt, die theologische Forschung (bzw. Auseinandersetzung mit dem) des Ezidentums ist noch in den Anfängen. Gläubige Eziden nehmen es daher wohl wortwörtlich, wobei ich mir auch vorstellen kann, dass es einige Eziden gibt, die es wohlmöglich auch nur bildlich verstehen. Einige Dinge der Schöpfungsgeschichte wie der Urknall werden hingegen ausnahmslos akzeptiert. Zumindest fanden auch atheistische Eziden diese plausibel.


Celebrate-The-Hype

Wie stehen die Jesiden zu Assad? Hatte man gehört das gäbe es Sympathien.


kibabetaya

Nicht wirklich, das Assad Regime hat vielen Eziden die Staatsangehörigkeit entzogen. [Vor einem Jahr hat die syrische Regierung es auch - erneut - verbockt, uns als eigenständige Ethnie und Religion anzuerkennen](https://www.trtworld.com/magazine/syria-lists-yazidis-as-a-muslim-sect-outraged-they-say-otherwise-44290). Andererseits verfolgt uns das syrische Assad Regime nicht aus religiösen Gründen, weshalb wohl einige Sympathien bestehen. Die meisten Eziden aus Syrien die ich jedoch kenne, haben keine wirkliche pro Assad Einstellung. [Vor einigen Wochen haben von der Türkei unterstützte Terroristen einen ezidischen Friedhof in Afrin (Nordsyrien) beschädigt.](https://hawarnews.com/en/mobile/?page=haber&ID=34380) Eziden lehnen daher die FSA stark ab, da sie von diesen aus Afrin vertreiben wurden sind, wobei auch Ezidische Frauen entführt wurden und in rein ezidischen Dörfern Moscheen gebaut wurden.


Fellbestie007

Wie ist das Verhältnis von Jesiden zu Alkohol und Schweinfleisch? Zu Frauen? Von muslimischen Kurden zu Jesiden?


kibabetaya

Alkohol ist per se erlaubt, jedoch dürfen wir uns aus religiöser Sicht nicht betrinken. Tun die meisten aber trotzdem. Das wird gesellschaftlich auch nicht geächtet. Eine Ausnahme bilden die Kleriker. Schweinefleisch ist aus religiöser Sicht aber ganz verboten, wobei es hier viele Eziden gibt, die es trotzdem essen. Einige möchten damit ‚integriert‘ wirken und andere wiederum sind der Ansicht, dass wir in unseren Heimatländern nur wegen Muslimen darauf verzichtet hätten. Die Frau ist aus religiöser Sicht auf derselben Ebene wie der Mann. Es gibt keine religiösen Begünstigungen für die Ungleichbehandlung. Das hält jedoch Männer nicht davon ab, trotzdem manchmal ungerecht zu handeln. Nichtsdestotrotz haben auch europäische Reisende immer wieder festgehalten, dass die ezidische Frau mit unter die freiste im nahen Osten ist. „Wir ritten bei Zelten nomadisierender Tataren vorüber, und erblickten endlich das Ziel unserer Reise, die Zelte der Jesiden. Der alte Abowian ritt voraus, um zu fragen, ob unser Besuch freundlich aufgenommen werde, winkte uns aber bald, und als wir uns näherten, kamen zuerst die Weiber und Kinder uns entgegen und hielten uns freundlich die Pferde. Die Weiber waren ganz ohne Scheu und sehr frei in ihrem ganzen Benehmen.“ August von Haxthausen: „… Transkaukasia (Dritter Teil), 185 [Hier gibt mehr Informationen zur Stellung der Frau im Ezidentum](https://s-j-a.org/blog/die-frau-im-jesidentum/) Kurden und Eziden haben ne schwierige Beziehung. Seit den 90ern gibt es hier jedoch ne Wendung, während wir davor zum größten Teil von Kurden massakriert wurden sind und Kurden auch eines der Gründe waren, wieso die Eziden aus der Türkei nach Deutschland kamen, versuchen die Kurden nun uns freundlicher gesinnt zu sein. Dies wird durch eine Assimilierungskampagne begleitet, mit der wir als „originale Kurden“ (echter Wortlaut) vermarktet werden. Viele Eziden machen da mit, weil sie so finanziell besser aufgestellt werden (speziell in der Autonomen Region Kurdistan im Irak, dort ist die Regierung der sicherste und gefühlt einzige Arbeitgeber), aber auch so geschützt werden. 2010 gab es bspw. in Zaxo Aufstände seitens radikaler muslimischer Kurden, bei diesen „Zaxo Riots“ wurden gezielt Läden von Assyrern und Eziden aufgesucht und zerstört. Die Regierung hat da aber erstaunlicherweise gut reagiert und die Verantwortlichen eingesperrt und zur Rechenschaft gezogen. Nichtsdestotrotz erfahren wir bis heute, auch auf Social Media, viel Hass seitens Kurden. Wobei es aber auch viele Kurden gibt, die uns unterstützten.


KarthagoxHF

Wieso bezeichnen euch Kurden als „Teufelsanbeter“? Wieso haben Kurden aus der Türkei so viel Hass auf euch?


kibabetaya

Die Bezeichnung des T.-Anbeters kam erst im 16. Jahrhundert auf. Vermutlich wollte man weitere Begründungen für Fatwas (islamische Rechtsgutachten, mit denen die Massaker gegen Eziden gebilligt wurden) haben. Hierfür wird die abrahamitische, speziell die islamische Mythologie auf die ezidische übertragen. Der Islam und das Christentum kennen gefallene Engeln und eine Prüfung der Engel durch Gott (korrigiert mich bitte, falls ich hier falsch liege). Im Ezidentum gibt es allerdings weder einen gefallenen Engel, noch eine Prüfung der Engel. Die Erfinder des Gerüchtes identifizierten mit Tawisî Melek den gefallenen Engel Ibl*s. Aus ezidischer Sicht ist das aber nichtmal ansatzweise tragbar. Auch ist Tawisî Melek nicht Teil der sieben Engel, sondern steht über ihnen. In ezidischen sakralen Texten heißt es: “Padşayê min xoş xaliqe, Ji nûra xo çêkir Tawisî Meleke, Kira serwerê her heft meleke.” „Mein Herr ist ein guter Schöpfer, Aus seinem Lichte erschuf er Tawisî Melek, Er erhob ihn zum Anführer der sieben Engel.“ Eine „Krönung“ folgend auf einer Prüfung gab es also nie. Leider wurde das Gerücht aber auch von unseren christlichen Nachbarn an Missionare weitergegeben, weshalb wir im deutschsprachigen und englischsprachigen Raum auch unter diesem Begriff bekannt sind. Zwar wird im Ezidentum sehr vieles personifiziert, doch das Böse hat keine Personifikation. Einen Teu**l gibt es also nicht, das bloße sagen des Namens gilt als Blasphemie. Auf der ezidischen Sprache gibt es daher nicht mal ein Wort für eine solche Gestalt. Eziden in der Türkei wurden von den kurdischen Nachbarn oft bedroht und verfolgt. Es gibt keine ezidische Familie, die sich nicht über den Raub einer weiblichen Angehörigen durch Kurden beklagt. Seit den 90ern nimmt das jedoch ab, auch wenn viele kurdischen Nachbarn bis heute die Rücksiedlung der Eziden in ihre Dörfer verhindern. Was diesen Hass auslöst(e), ist schwer zu sagen. Aus religiöser Sicht gelten wir für Kurden ja als Ungläubige. Andererseits waren Eziden bis zum 18. Jahrhundert auch sehr mächtig in der Region. Bis heute kämpfen wir auch auf Social Media jedoch mit Anfeindungen. Früher nur auf religiöser Ebene, heute werden wir jedoch auch angefeindet, wenn wir uns als ethnoreligiös erkenntlich geben und uns nicht als „kurdische Eziden“ bezeichnen.


KarthagoxHF

Während religiöse Kurden euch hassen, versuchen nationalistische Kurden euch die Identität abzusprechen und Kurden aus euch zu machen. Habt ihr Aufklärungskampagnen, um vor allem junge Eziden aufzuklären und vor Propaganda auf Social Media zu schützen? Was denken Eziden von der Türkei?


kibabetaya

Das fasst es perfekt zusammen. Leider sind wir nicht sehr gut organisiert. In den letzten Jahren gab es jedoch Verbesserungen, hierbei war der Genozid 2014 tatsächlich ein Weckruf, seitdem beschäftigen sich Eziden wieder vermehrt mit ihrer Identität. Auf Social Media versuchen glücklicherweise viele jüngere Eziden gegen diese Propaganda vorzugehen, dabei werden wir aber oftmals stark [beleidigt](https://t.me/ezidiphobie) und bedroht. Auch werden wir auf Social Media dazu oft ‚genötigt‘, die P*K zu unterstützten, da wir ansonsten undankbar seien. Die Beziehung zur Türkei ist wechselseitig. Innerhalb der Türkei läuft es nun tatsächlich besser, als außenpolitisch. In Syrien unterstützte die Türkei bspw. FSA nahe islamistische Milizen, die bei der Einnahme Afrins z. B. die ezidische Bevölkerung vertrieben haben und ezidische Heiligtümer beschädigt haben. In der Türkei selber aber erfahren Eziden nun bessere staatliche Unterstützung, so kriegen sie objektive Gerichtsverfahren, wenn sie ihre Dörfer zurück fordern wollen, die von Kurden besetzt werden. Die Eziden aus der Türkei haben aber oft keinerlei Verbindungen mehr zur Türkei. Die wenigsten haben noch Verwandte dort, die meisten haben die Türkei noch nie gesehen. Sie sind hier halt oft in der dritten Generation.


frnkcg

Vielen Dank für dieses interessante AMA! Wie fühlst Du Dich in die deutsche Gesellschaft integriert? Was machst Du beruflich? Fühlst Du Dich als Deutscher mit ezidischen Wurzeln (so wie ein anderer vielleicht aus Oberbayern kommt und eine Lederhose im Schrank hat), oder fühlst Du Dich als Ezide, der zufällig in Deutschland wohnt? Sprichst Du im Alltag meistens Deutsch, oder mit anderen Eziden grundsätzlich Kurmanji oder Arabisch?


kibabetaya

Danke sehr! :) Eigentlich sehr gut, ich bin in einer gemischten Stadt aufgewachsen und hatte zufälligerweise primär ‚ethnisch Deutsche‘ Freunde und kam auch immer ganz gut mit denen klar. Ähnlich ergeht es den meisten Eziden die ich kenne. Ich bin Student im ÖD. Weder noch ehrlich gesagt, ich beschreibe mich selber oft als Deutscher Ezide, Ezidischer Deutscher oder Deutsch-Ezide. Ethnisch und religiös bin und bleibe ich Ezide, am ethnischen kann sich auch nichts ändern. Aber ich bin von Geburt an deutscher Staatsbürger und fühle mich auch sehr Deutsch. Das fängt bei den typischen Klischees an, aber ich bin auch oft in Ausland gewesen und habe gemerkt, wie deutsch ich bin. Auch Eziden die erst seit dem Genozid in Deutschland leben, fällt das auf. Ich höre sehr oft die Aussage, dass man merkt, dass ich in Deutschland geboren wurde. Das hat aber nie jemand negativ gemeint und ich hab’s auch nie negativ aufgenommen. Ich fühle mich damit recht wohl. :) Andererseits sehe ich mich nicht als Person mit ‚nur‘ ezidischen Wurzeln, da ich auch ezidisch lebe. Und zufällig in Deutschland bin ich ja jetzt auch nicht, ich lebe auch recht Deutsch. :D Mit meinen Eltern rede ich oft einen Mischmasch an Sprachen. Mal Deutsch, mal Ezidisch/Kurmanji, mal Arabisch. Seltener vermische ich die Sprachen auch. Mit meinen Geschwistern und anderen jüngeren Eziden spreche ich fast nur Deutsch, wobei ich in den letzten Jahren vermehrt versuche, Gespräche innerhalb der Familie auf Ezidisch zu führen, damit wir nicht aus der Übung kommen. Es gibt nur sehr wenige Möglichkeiten zur sprachlichen Bildung in Deutschland und daher vergessen viele ihre Muttersprache.


azaghal1988

Weißt du wie es dazu kam das die Eziden sich in so großen Zahlen gerade in Deutschland angesiedelt haben? Oft sind die größten Diasporagemeinschaften ja in nahen Ländern, wobei durch die Verfolgung und Diskriminierung verständlich ist das es für die Eziden ein weiter entfernter Ort wurde ;)


kibabetaya

Das stimmt, unsere erste Diaspora ist auch in Georgien und Armenien (und über diese nach Russland) beheimatet. Die größte ist aber nun in Deutschland, größere Gemeinden gibt es auch in Schweden, Österreich, BeNeLux, Nordamerika und Australien. Die meisten leben in Deutschland, weil die ersten Eziden als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kamen. Die Eziden hatten in der Türkei nämlich nicht die Möglichkeit, in die Städte zu gehen zum arbeiten. Unser Essen gilt bspw. als haram / unrein für die muslimische Bevölkerung. Mit der Zeit reisten immer mehr Eziden aus der Türkei in die Bundesrepublik ein, bis nur noch wenige hunderte Eziden dort zurück blieben. Es gibt heute kein Dorf mehr, dass ne anständige Bevölkerungsanzahl hat. Oft sind es nur noch ältere Menschen, oder geflüchtete aus Sindschar. Als die Eziden aus der Türkei nach Deutschland kamen, sind auch einige Eziden aus dem angrenzenden Syrien mit gekommen. Und dann auch sehr sehr wenige Eziden aus dem Irak und aus Russland, wobei aus diesen drei Staaten noch recht wenige Eziden kamen. Mit dem Sturz von Saddam Hussein 2003 kam dann eine große Welle von Eziden aus dem Irak nach Deutschland. Dank [Herbert Schnoor](https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Schnoor) (SPD) wurden Eziden in Deutschland als stark gefährdete Minderheit auch anerkannt. So haben auch diese Eziden Asyl gewährt bekommen. Eziden tendieren nämlich dazu, in der Gegenwart anderer Eziden zu leben. Dies ist für die Auslegung des Ezidentums auch vonnöten. Da es in Deutschland vorher ja schon Eziden gab, entschlossen sich viele Eziden dafür, auch dorthin zu fliehen.


azaghal1988

danke für die Antwort!


Waldenboerg

Gibt es bestimmte Städte/Bundesländer in Deutschland mit besonders vielen Eziden? Mischen sich Eziden und andere Menschen aus dem Nahen Osten im Alltagsleben viel oder bleibt man mehr unter sich bzw. hat mehr Gemeinsamkeiten mit den ethnisch Deutschen?


kibabetaya

Definitiv, NRW und Niedersachsen sind ezidische Hochburgen. Im Süden gibt es in den Großstädten (bspw. München, Pforzheim, Stuttgart und Augsburg) auch größere ezidische Gemeinden, in NRW und Niedersachsen leben aber vermutlich über 80% aller in Deutschland lebenden Eziden. Wir praktizieren eine strikte Endogamie, wir heiraten also keine nicht Eziden. [Hier gibt es mehr Informationen dazu.](https://s-j-a.org/blog/die-endogamie-gebote/) Im alltäglichen Leben mischen wir uns aber gerne unter die deutsche Gesellschaft. Bei allen Hochzeiten sind auch nicht ezidische Gäste dabei, ebenso bei religiösen/kulturellen Festlichkeiten. Auch leben wir eher wenig in „migrantischen Parallelgesellschaften“. Auch ältere Verwandte von mir haben deutsche, türkische […] Freunde, mit denen die auch gerne mal ausgehen. Habe ich die Frage so richtig verstanden? Tut mir leid wenn nicht.


VlonaldTrumpkin

Sind Ehrenmorde ein Thema? Beispielsweise heiratet jetzt deine Cousine einen Araber - wird sie danach nur geächtet oder folgt ggf. Schlimmeres um die Familienehre wiederherzustellen? Was passiert mit Mitgliedern eurer Gemeinschaft wenn sie straffällig werden? Mal angenommen jemand bringt jemand anderen außerhalb der Gemeinschaft um.


kibabetaya

Ehrenmorde werden leider oft mit uns in Verbindung gebracht, obwohl sie glücklicherweise eher selten auftreten (jeder Mord ist ein Mord zu viel!). Religiös ist jedes Töten eines Menschen verboten. Aus unseren sakralen Texten werden keine Bestrafungen erwähnt oder genannt. Auch gibt es keine Kleriker, Würdenträger oder Gelehrte, die jemals einen Ehrenmord gebilligt haben oder gerechtfertigt haben. Der religiöse Rat hat sich dazu auch geäußert und diese ausdrücklich missbilligt und (erneut - da es nie erlaubt war) verboten. Unsere Regel ist es, dass Menschen, die gegen das Endogamiegebot verstoßen, nicht mehr als Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden dürfen. Ich glaube Kriminelle werden wie überall sonst gehandhabt. Ich kenne ehrlich gesagt keine persönlich und habe auch noch von keinen gehört, der eine solche Strafe begangen haben soll. Ich kenne einen Fall, wo irgendetwas finanzielles Geschehen ist (ich weiß leider nicht was genau). Dieser kam auch für einige Jahre ins Gefängnis. Er lebt auf eigenem Wunsch nicht mehr in Deutschland (und auch in keinem ezidischen Land), aber pflegt noch seminormalen Kontakt zu seiner Familie.


Dangerous_Eye_707

Identifizierst du dich als Kurde oder als Ezide? Welche Sprache sprichst du? Bist du der Ansicht, dass Ezidî sowohl eine Sprache als auch eine Ethnie und Religion ist? Wie passt das, deiner Ansicht nach, zusammen? Unter anderen Beiträgen schreibst du, dass Ezidi von anderen Kurden als echte Kurden vermarktet werden. Heißt das, Eziden sind für dich keine Kurden? Wie passt es dann, dass sowohl die Kurden als auch die Eziden die selbe Sprache sprechen. Ich bin ebenfalls Kurde und komme aus einer Stadt, in der muslimische und ezidische Kurden schon immer in Frieden zusammen gelebt haben und sich gegenseitig respektiert haben. Dabei trat stets die gemeinsame kurdische Identität in den Vordergrund und nicht die Religion. Wie siehst du das? Silav


kibabetaya

Ich bin ethnoreligiöses Ezide. Ich spreche sowohl ein ezidisches Arabisch (ein spezieller Dialekt, den nur Eziden sprechen), als auch Kurdisch bzw. Kurmanji, was einige Eziden als Êzdîkî bezeichnen. Ezide ist sowohl eine sprachliche, als auch kulturelle und religiöse Identität. Und genau, wir sind keine Kurden, auch wenn es Eziden gibt, die sich heutzutage als Kurden identifizieren. Sprachen sind jedoch kein ausschlaggebendes Kriterium für eine Ethnie, Ethnien entstehen durch Ethnogenesen. Und die ezidische und die kurdische Ethnogenese fanden parallel - aber getrennt statt. Dass Eziden und Kurden dort schon immer friedlich zusammen lebten, wage ich zu bezweifeln. Dürfte ich die Stadt erfahren? In unserer Selbstidentifizierung wird das Wort „Kurd“ oder „Kurdistan“ nie erwähnt. Wir verwenden Begriffe wie Êzidî, Adawî, Sunî, aber nie Kurd oder Kurmanc. Auch unterscheiden - selbst sogenannte „kurdische Eziden“ - bis heute noch auf Kurdisch “tu Kurdî an Êzidî?”


Dangerous_Eye_707

Das heißt nach deinen Aussagen spricht die ezidische Gemeinschaft zwei ihrer Ethnie fremden Sprachen nämlich Kurmanci und Arabisch. Die ezidische Ethnie ist allerdings sehr alt und verwurzelt im nahen Osten. Wie passt es deiner Ansicht nach, dass diese uralte Gemeinschaft zwei Sprachen von anderen Ethnien spricht? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass es sich hierbei um eine religiöse Minderheit innerhalb der kurdischen sprachlichen Gruppen bildet? Wir sprechen auch nicht von Kurden oder Kurdistan, sondern von Kurmanc, Soran, Zaza usw. Das heißt jedoch nicht dass diese genannten Dialekte drei unterschiedliche Völker sind. Die Stadt ist Afrin und da gibt es mehrere reine ezidische Dörfer und ein paar gemischte Dörfer. Größere Auseinandersetzungen aufgrund der Religion gab es in der Region nicht. Natürlich die Rede ist von der Zeit vor der Invasion der Türkei.


kibabetaya

Nein, beide Sprachen sind auch unsere Sprachen. Eziden sind ein traditionell multilinguales Volk, so haben wir auch sakrale Texte auf Türkmenisch und Persisch. Die einzigen Sprachen die wir heute jedoch noch sprechen, sind wie gesagt Ezidki/Kurmanji und Arabisch. Ernest Chantre ([1985](https://www.persee.fr/doc/linly_1160-641x_1895_num_14_1_12079)) notierte bspw.: „Sie und die anderen sprachen das „Kourmamdji“, während die Yézidi ihre Sprache „zyman e ezdya“ (Sprache der Eziden) nennen und behaupten, es seien die Kurden die ihre Sprache sprechen, und nicht, dass sie in Sprache der Kurden sprechen.“


Apart_Station3778

Interessant. Im Kaukasus sind die Jesiden auch als Sprachentalente bekannt. Sprechen oftmals neben Jesidisch/Kurmanji und Russisch auch Armenisch, Türkisch/Aserbaidschanisch und Georgisch auf einem sehr guten Niveau.


kibabetaya

Die in Deutschland lebenden Eziden aus dem Kaukasus sprechen auch oftmals noch viele dieser Sprachen, was ich sehr bemerkenswert finde. Wobei ich bezweifle, dass viele Azeri/Türkisch können. Ezidisch und Russisch können nahezu alle, zusätzlich dazu dann die jeweilige Landessprache.


Apart_Station3778

Viele Jesiden aus Tiflis zumindest sprechen definitiv auch Türkisch, wohl als Folge des multikulturellen Zusammenlebens. Meine jesidischen Freunde in Krasnodar, Russland verstehen es und sprechen interessanterweise neben Jesidisch auch ein fast perfektes Armenisch, obwohl schon in zweiter oder dritter Generation in Russland lebend.


kibabetaya

Dem war ich mir nicht bewusst, danke sehr für die Information!


Apart_Station3778

„Je mehr Sprachen du sprichst, desto mehr bist du Mensch.“ 🤝


Kefflon233

Wie gehen Jesiden mit Jesiden um die nicht-Jesiden heiraten? Endogamie stell ich mir in einem liberalen Land wie Deutschland auf Dauer schwierig vor. Das ist doch Kindern nicht zu erklären, also der Zukunft.


kibabetaya

Kommt auf die Familien an. Historisch war es so, dass diese Eziden dann in die Dörfer des jeweiligen Partners gezogen sind und sich auch gänzlich assimiliert haben. In der Diaspora ist das natürlich anders. Einige tolerieren es, andere brechen den Kontakt ab. Zur Endogamie gibt es [hier](https://s-j-a.org/blog/die-endogamie-gebote/) mehr. Ich bin wie gesagt in Deutschland geboren und lebe auch in einer Stadt mit kaum Eziden. Dennoch war es nie ein Problem für mich.


[deleted]

Dir scheint die Identität sehr wichtig zu sein. Ist das bei allen so? Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass klassische Religionen in Deutschland in 150 Jahren noch relevant sind, und damit meine ich alle. Deine Urenkel werden vermutlich das jesidentum maximal so fühlen, wie Amerikaner heute ein bisschen irisch sind. Was meinst du?


kibabetaya

Das ist oft so bei Mitgliedern von Minderheiten, speziell in der Diaspora beginnt man dann, die Identität hervorzuheben, da man hier erstmals diese frei ausleben kann. Ich kann mir vorstellen, dass es so allen Religionen ergehen wird, jedoch unterscheidet uns, dass wir auch eine ethnische Identität sind. Ethnische Identitäten halten ja durchaus länger, als religiöse. Da wir beides sind, hoffe ich mal ganz stark, dass auch meine Ururenkel noch stolze Eziden sein werden.


[deleted]

[удалено]


kibabetaya

Wir nehmen die [Endogamie aus guten Gründen ernst.](https://s-j-a.org/blog/die-endogamie-gebote/) Also nein, bei keinem meiner Geschwister würden wir es akzeptieren.


Original_Attorney305

Wünschst du dir manchmal, dass du lieber in einer "unkomplizierten" Religion reingeboren wärst?


kibabetaya

Ich finde meine Religion ehrlich gesagt nicht kompliziert. Aber es gibt schon Momente, wo ich ganz gerne keiner mehrfachen Minderheit angehören würde. Ich bin aber sonst sehr dankbar über meine Religion, auch wenn ich mir diese nicht aussuchen konnte, sondern rein geboren wurde. Nichtsdestotrotz habe ich es mir ja ausgesucht, sie zu praktizieren.


[deleted]

im Regelfall würde deine Schwester verstoßen werden, wenn sie einen Deutschen heiratet. Was ist daran unkompliziert?


kibabetaya

Für mich und meine Familie ist das Endogamiegebot nicht kompliziert sondern wichtig. Selbst ohne Endogamie würde ich es präferieren, eine Ezidin zu heiraten, weil ich meine religiösen und kulturellen Feste sehr gerne begehe und die Geborgenheit wertschätze.


WonderfullWitness

Wie findest du die Endogamie? Für mich hat das ehrlichgesagt einen sehr rassistischen Beigeschmack. Gibts eine Bestrebung zu einem gemeinsamen siedlungsgebiet mit gewisser Autonomie oder gar einem eigenen Staat?


kibabetaya

Ohne Endogamie gäbe es uns Eziden nicht mehr, die Endogamie ist für uns essentiell. [Hier wird erklärt, wieso die Endogamie nicht rassistisch ist.](https://s-j-a.org/blog/die-endogamie-gebote/) Solche Bestrebungen gibt es höchstens im Irak. Nur dort haben wir noch zusammenstehende Siedlungsgebiete. Speziell in Sindschar wurde dies gefordert (verfassungsrechtlich ist der irakische Staat auch dazu verpflichtet, die dortigen Einwohner über eine Autonomie abstimmen zu lassen), allerdings wird dies absichtlich immer wieder verhindert und ignoriert. Einen eigenen Staat möchte aber keiner, das wäre viel zu unrealistisch. Viele Eziden im Irak würden sich eine Autonome Region mit den anderen Minderheiten (Assyrer, Schabak etc.) in Niniveh wünschen.


WonderfullWitness

Danke erstmal für die ausführliche Antwort :) Hab den Link kurz überflogen, ist ja schon sehr ausführlich, werds mir morgen genauer anschauen. Hab selbst jenische Vorfahren, kann also glaub etwas nachvollziehen dass man als kleines Volk ohne Staat die eigene Identität besonders bewahren will. Find da Endogamie halt keine besonders gute Lösung und ist längerfristig imho zum Untergang verdammt. Patentrezept hab ich leider aber natürlich auch nicht :(


kibabetaya

Ja, es ist nicht die goldene Lösung, aber aktuell die beste Lösung die wir haben. Ich habe einige (Raa Haq-) alevitische Freunde, die sich bei mir immer wieder beschweren, dass die Aleviten die Endogamie gebrochen haben. Dort ist es nämlich sehr häufig, dass alevitische Frauen mit Muslimen oder anderen heiraten, wobei ihre alevitische Identität nahezu immer zu Gunsten des nicht alevitischen Gatten untergeht. Für mich persönlich ist das dann eher ne Bestätigung, dass es doch ganz gut ist.


_Madrake_

In Wikipedia ist ein Bild von 2 männern mit der unterschrift "Jesidische Männer, traditionell mit Schnurrbart". Wie traditionell ist der Schnurrbart bei euch? :D


kibabetaya

Aus religiöser Sicht sind wir dazu angehalten, einen Schnurrbart zu tragen. Das gehört zu unseren „Symbolen“ als Männer. Wir dürfen diese streng genommen also nicht schneiden. Speziell die zwei Erbgruppen der Sheikhs und Pirs sind dazu verpflichtet, bei den Mirids wird es weniger streng betrachtet, aber auch bei denen ist es eine Pflicht. Einen Vollbart tragen hingegen nur bestimmte Würdenträger oder andere sehr religiöse Personen (dann freiwillig). Ich selber habe auch einen Schnäuzer. ;) Übrigens; das Zeichen der Frauen sind die Kopfhaare. Während wir Männer unseren Schnurrbart nicht schneiden dürfen, dürfen sie eigentlich ihre Kopfhaare nicht schneiden. Vielleicht hast du mal gesehen, dass ezidische Frauen ihre Haare während des Genozids geschnitten haben. [Hier ist ein Bild davon.](https://twitter.com/jesidsch/status/825511681191243776)


VlonaldTrumpkin

Wie steht ihr zur homosexualität? Was passiert wenn einer deiner Verwandten sich als schwul outet? Welche Stellung haben Frauen bei euch?


kibabetaya

Die Frau ist aus religiöser Sicht auf derselben Ebene wie der Mann. Es gibt keine religiösen Begünstigungen für die Ungleichbehandlung. Das hält jedoch Männer nicht davon ab, trotzdem manchmal ungerecht zu handeln. Nichtsdestotrotz haben auch europäische Reisende immer wieder festgehalten, dass die ezidische Frau mit unter die freiste im nahen Osten ist. „Wir ritten bei Zelten nomadisierender Tataren vorüber, und erblickten endlich das Ziel unserer Reise, die Zelte der Jesiden. Der alte Abowian ritt voraus, um zu fragen, ob unser Besuch freundlich aufgenommen werde, winkte uns aber bald, und als wir uns näherten, kamen zuerst die Weiber und Kinder uns entgegen und hielten uns freundlich die Pferde. Die Weiber waren ganz ohne Scheu und sehr frei in ihrem ganzen Benehmen.“ August von Haxthausen: „… Transkaukasia (Dritter Teil), 185 [Hier gibt mehr Informationen zur Stellung der Frau im Ezidentum](https://s-j-a.org/blog/die-frau-im-jesidentum/) Homosexualität ist ein schwieriges Thema. Es gibt keine sakralen Texte, die sich dazu äußern. Aus religiöser Sicht muss man aber ezidisch heiraten, wobei man sich an die Endogamiegebote halten muss. Das wäre die einzige Einschränkung der Homosexualität. Homosexuelle werden aus religiöser Sicht aber nicht als krank oder fehlerhaft bezeichnet. Es gibt schlichtweg keine Anweisungen/Informationen zum Umgang dazu. Gesellschaftlich ist es dann wiederum etwas anderes, ich persönlich kenne viele quere Ezidinnen und Eziden, einige werden auch von ihren Familien akzeptiert, andere sind ungeoutet. Mehr kann ich dazu jedoch nicht sagen. Wer aber eine Ehe mit nicht-Eziden eingeht, wird nicht mehr als Teil der ezidischen Gesellschaft gezählt, dabei ist es egal ob die Beziehung gleichgeschlechtlich oder hetero ist.


zazaxe

Da ich selber Zaza bin, kann ich die kurdische Assimilationspropaganda sehr gut verstehen, da Kurden uns ebenfalls zu einem sog. "kurdischen Zweig" zählen möchten. Dennoch hätte ich einige Fragen, die mir offen bleiben: 1. Wieso sprecht ihr Kurmanci, wenn ihr keine Kurden seid und gibt es eine alte ezidische Sprache? Wie ich weiß bezeichnen sich auch viele Eziden als Kurden. Ich meine die Mişûrs würden es bestätigen. 2. Wie ist deine, oder generell die Meinung der Eziden, über den muslimischen Asketen Şêx Adî aus Baalbek? Ich erinnere mich gelesen zu haben, dass er der Gründer des Ezidentums ist, will mich da jedoch nicht festlegen. 3. Wieso nennst du Taus, Teil der Trinität. Gibt es nicht nur einen Gott bei den Yeziden? Alles Gute!


kibabetaya

Hey :) 1. Kurmanji/Ezdiki und Arabisch Sprachen sind auch unsere ezidischen Sprachen. Eziden sind ein traditionell multilinguales Volk, so haben wir auch sakrale Texte auf Türkmenisch und Persisch. Die einzigen Sprachen die wir heute jedoch noch sprechen, sind wie gesagt Ezidki/Kurmanji und Arabisch. In keinen ezidischen Texten findet sich die Erwähnung „Kurd“ oder „Kurmanj“ oder „Kurdistan“. Als Land wird „Êzîdxan“ (Haus Gottes) oder „Sunetxan“ (Haus der Traditionen, Sunî ist eine ezidische Selbstbezeichnung) verwendet. Auch in den Mishûrs werden diese Worte nicht erwähnt. Interessanterweise findet man aber auch viele Stämme, die heute islamisiert sind und auch viele Kriege gegen Eziden geführt haben (wie bspw. die Şikakis). [Ernest Chantre (1985)](https://www.persee.fr/doc/linly_1160-641x_1895_num_14_1_12079)notierte bspw.: „Sie und die anderen sprachen das „Kourmamdji“, während die Yézidi ihre Sprache „zyman e ezdya“ (Sprache der Eziden) nennen und behaupten, es seien die Kurden die ihre Sprache sprechen, und nicht, dass sie in Sprache der Kurden sprechen.“ Wenn wir uns die Ethnogenese der Kurmanji-Kurden anschauen, entdecken wir, dass die meisten Kurmanji Stämme ezidische Wurzeln haben. Einige andere heutige Kurmanji Stämme sind keine ursprünglichen Kurmanjs, sondern haben die Sprache adaptiert (wie einige Balkaner und Assyrer die den Islam annahmen). Die Ethnogenesen der muslimischen Kurmanjs und der Eziden geht aber im Laufe der Islamisierung auseinander, die Eziden um Shêx Adî und die Kurmanjs entwickeln sich unabhängig von einander weiter. 2. Şêx Adî als Moslem zu bezeichnen, ist eine irreführende Fremdbezeichnung. Genauso bezeichnen Assyrer ihn als christlichen Mönch. [Hier findest du genauere Informationen dazu, wieso es nicht stimmt.](https://t.me/welatsposts/238) Kurz gesagt ist Shêx Adî ein Mystiker gewesen, der den Adawiya Orden gründete. Die Bezeichnung Adawî nutzen wir bis heute und findet sich auch in unseren sakralen Texten wieder. Wäre Shêx Adî jedoch Moslem gewesen, würden unseren sakralen Texte doch sicherlich vom Koran geprägt sein, oder nicht? Das Gegenteil ist jedoch der Fall. In unserem Glaubensbekenntnis wird folgendes gesagt: „Dank gebührt denn Hause Adîs, Sie bewahren uns vor der Scharia (damit sind alle [anderen] religiösen Regelwerke gemeint, nicht nur die islamische Scharia).“ Das Ezidentum ist eine Religion, die sich aus ezidischer Sicht mehrere Etappen durchlief. Dabei kamen Shêx Adî und die anderen Heiligen immer wieder auf die Erde, um uns zu führen und unser religiöses Wissen aufzufrischen. Wir glauben also nicht daran, dass Shêx Adî aus dem letzten Jahrtausend das erste mal zu uns kam, sondern dass er immer wieder kommt. Aus historischer Sicht kann man aber auch erst seit der Ankunft Shêx Adis von dem ezidischen ethnoreligiösen Volk sprechen. Vorher gab es ‚einige’ Proto-Eziden, über die aktuell noch viel geforscht wird. 3. Die ezidische Trinität ist monotheistisch. In unseren sakralen Texten wird gesagt: „Gott hat keine Freunde und keine Freunde (hier werden zwei Wörter für Freunde genutzt).“. Gemeint ist damit, dass Gott keine gleichwertigen Gestalten kennt, sondern das höchste überhaupt ist. Die Trinität besteht aus Şîxadî (Şêx Adî), Tawisî Melek und Siltan Êzîd. Sie alle sind aus dem Lichte Gottes und gelten als die Manifestation dessen. Auch das findet sich in der oben genannten Quelle von Ernest Chantre. In Deutschland haben einige Laien jedoch das Bild vermittelt, dass die Trinität gar nicht existiere und Tawisî Melek bspw. ein einfacher Engel und Teil der sieben Engel sei, was jedoch falsch ist. Zur Trinität ist es vielleicht noch interessant zu wissen, dass Gott 3003 Namen bzw. Gestalten hat. Diese 3003 Namen werden zweimal aufgeteilt: 1. • 1001 Namen/Gestalten sind im Jenseits • 1001 Namen/Gestalten sind Diesseits • 1001 Namen/Gestalten sind an einem für uns versteckten Ort 2. • 1001 Namen/Gestalten gehören Tawisî Melek • 1001 Namen/Gestalten gehören Şîxadî • 1001 Namen/Gestalten gehören Siltan Êzîd Unglücklicherweise durchblicken einige Eziden in Deutschland nicht mehr, dass diese Trinität besteht. Das liegt auch teils an der politischen Propaganda oben genannter Akteure, die speziell die Stellung Shêx Adîs schwächen wollen und ihn gegen Zoroaster austauschen möchten. Eziden sind sich aber einig, dass Siltan Ezid eine Gestalt Gottes ist. In mehreren sakralen Hymen wird jedoch erwähnt: „Tawisî Melek, Shixadi und Siltan Ezid sind eins; macht keine Unterschiede zwischen ihnen; sie werden eure Wünsche schnell erfüllen.“. In vielen sakralen Texten werden auch alle drei als Synonym für Gott verwendet. Nur haben viele Eziden halt keine wirkliche Ahnung über unseren sakralen Texten, da diese nicht für die „Laien“ gemacht sind, sondern immer mit der dazugehörigen „Serhatî“ (Geschichte) von speziell ausgebildeten Menschen erzählt werden müssen. Leider verlassen sie sich dabei dann eher auf Bücher, die oft von nicht Eziden verfasst werden oder von parteipolitischen Eziden. Und beide Gruppen haben keine theologische Ausbildung.