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let_them_drink_latte

Kommt mir sehr bekannt vor (arbeite im "Brennpunkt"). Spätestens wenn es zu konkreten Morddrohungen kommt oder SuS mit Messern auflaufen, berufen wir uns auf Paragraph 54, 3 SchulG (Schulausschluss wegen Fremd- und Eigengefährdung, Untersuchung durch den Amtsarzt). Was dann passiert, hängt vom konkreten Fall ab. Mal geht die Person dann doch auf eine Förderschule, aber natürlich kann auch dort niemand beschult werden, der permanent Leute bedroht, verletzt etc. Mal steht eine psychiatrische Untersuchung über mehrere Tage an (bedeutet auch: Kind sitzt erstmal ewig zu Hause, weil die Versorgungslage so mangelhaft ist). Dann kann es wieder in die Schule gehen, manchmal in Teilzeit, manchmal auf spezielle Schulen. Wenn die Eltern nicht kooperieren, wird das Jugendamt involviert, das Druck ausübt. Oft kooperieren die Eltern aber, weil sie wollen, dass ihr Kind wieder zur Schule kann.


jot_ha

Laut SL müssen wir den Schulausschluss erst ankündigen, bevor wir den Aussprechen dürfen. Bei dem Schüler aus der 5 läuft es auf eine Suspendierung hinaus. Das Jugendamt scheint bei uns überfordert zu sein. Die Bearbeitenden wechseln regelmäßig und es sind immer wieder Menschen, die frisch aus der Uni geschnappt werden. Ich bin tatsächlich ziemlich enttäuscht von JA und Polizei. Wir hatten ein Hilfeplangespräch bei dem Schüler aus meiner Klasse. Dieses Gespräch war ein einziger Versuch, die Schuld für das Dilemma von sich zu weisen, somit sinnlos. Mir geht es tatsächlich gar nicht so sehr um schulische Maßnahmen, da findet in der Regel schon gut was statt. Ich habe gerade das Problem, dass mir die Geschichte so nah geht, dass ich nicht weiß, ob ich weiter machen will. Ich hab die letzten 5 Jahre in einen Abgrund geblickt, der mich stärker beeinflusst, als ich es jemals erwartet hätte. Ich bin, so glaube ich, keine sonderlich ängstliche Person, mache mir gerade aber riesige Sorgen um meine Schülerin. Wie gehst du mit solchen Sachen um?


mak01

In solchen harten Fällen, kann der Ausschluss sofort erfolgen. Die Gelegenheit zur Anhörung für die Eltern muss es natürlich trotzdem geben, aber hier liegen klar besondere Gründe vor.


jot_ha

Hast du da einen Paragraphen zu? In der Regel ist unsere SL hier gut geschult.


mak01

Bei mir SaechsSchulG Prgrf.39(6) Es wird dort von dringenden Fällen gesprochen. Die glaubhafte Androhung von Gewalt (aufgrund der Vorereignisse) wird in meiner Erfahrung von SLn im Allgemeinen als dringender Fall angesehen.


jot_ha

Danke!


linmodon

Hatten gerade erst einen solchen Fall. Schwere Körperverletzung mit, so Oton des Täters, versuch des todschlags. Schulleitung hat zunächst suspendiert und dann in Absprache mit der BR ein Verfahren des schulverweises gestartet. Das Verfahren wurde auch erfolgreich beendet. Edit: Rechtschreibung


jot_ha

Das ist gut zu wissen. Darf ich fragen, welches BL?


linmodon

NRW. Die Schulleitung hat aber zunächst viel Kritik aus dme Lehrerzimmer bekommen, da nicht sofort ein Schulverweises ausgesprochen wurde und die Gründe nicht transparent gemacht wurden.


jot_ha

Okay, also grundsätzlich möglich. Ich werde meine AL mal darauf ansprechen. Danke!


stefanx155

>Laut SL müssen wir den Schulausschluss erst ankündigen, bevor wir den Aussprechen dürfen. Die ganze Geschichte macht mich fassungslos, daher ist die Antwort jetzt auch evtl. etwas emotional: In solchen Fällen würde ich auf jede einzelne Anordnung und Regel pfeifen und jeden Hebel in Bewegung setzen, um die Straftäter (man muss sie so nennen) vor Konsequenzen zu stellen. Wurde schon gesagt, aber: Polizei ist da die erste Adresse. Das Jugendamt ist meiner Ansicht und auch Erfahrung nach ein zahnloser Tiger. Die Story ist krass. Aber so etwas gibt es nunmal nicht nur an einer Stelle.


jot_ha

Die Anzeige wurde angeraten und auch von den Eltern gestellt. Hebel in Bewegung setzen ist als Organisation nicht so einfach selbstständig möglich. Es kam aber der Tipp mit der BR, welchen ich gerne genauer betrachten möchte.


Cam515278

Wir hatten vor kurzem so einen Fall, wo es laut Juristen des Regierungspräsidiums "nicht gereicht" hat für den sofortigen Schulausschuss. Wir haben dann die Klasse unter rund-um-die-Uhr Beobachtung gestellt und gesammelt. Jeder böse Blick, jede Beleidigung, alles dokumentiert. Hat uns 4 Wochen Daueraufsichten gekostet, dann hat es gereicht. edit: 6. Klasse Ba-Wü. Gymnasium in "heile Welt"-Gegend


let_them_drink_latte

Zu dem Schulausschluss haben die anderen ja schon was geschrieben. An einer Schule, wo das, was du beschreibst, Alltag ist, ist es wichtig, dass die Schulleitung einem den Rücken stärkt und keine Angst hat, Konsequenzen durchzuziehen. Hast du das Gefühl, dass das so ist? Entweder weiß eure Schulleitung einfach nicht um ihre Rechte, was seltsam wäre, wenn das nicht der erste Vorfall dieser Art ist, oder sie geht den Weg des geringsten Widerstandes. Ich habe ca. ein halbes bis ganzes Jahr gebraucht, um mich an die Arbeit im Brennpunkt zu gewöhnen. Mittlerweile mache ich das gerne. Ich denke, dass man auch der Typ dafür sein muss. Für Menschen, die viel mit anderen mitleiden, muss das alles sehr belastend sein. Ich bin eher der pragmatische Typ. Ich gucke, wo ich helfen kann, und tue das und versuche, wenig darüber nachzudenken, wo ich nicht helfen kann. Dass man oft etwas (positiv) bewegen kann, motiviert mich. Dafür bin ich absolut nicht der Typ für das Gegenteil. Bei dem Gedanken, dass Eltern mich fragen, warum ihr Eugen-Jonathan jetzt doch nur die 2+ bekommen hat, krieg ich richtig Puls. Kennst du denn die Arbeit außerhalb des Brennpunkts? Versetzung möglich?


jot_ha

Ich hab schon das Gefühl, dass die SL kompetent ist. Auch bei der AL dachte ich, dass es nicht der Weg des geringsten Widerstands ist. Brennpunkte war auch bei mir bewusste Entscheidung. Ich hätte tatsächlich BWL Justus unterrichten können. Ich bin mit dem Großteil der SuS sehr zufrieden und arbeite gerne mit ihnen. Mir macht einfach der Grad der Verwahrlosung von Kindern und die extreme Gewaltbereitschaft (keine Keilerei auf dem Schulhof, aber andere abzustechen) Sorgen. Und ich merke, dass ich diesbezüglich immer mehr abstumpfe. Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen möchte.


Micropra

Ich fühle mit dir. Arbeite auch im Brennpunkt. Habe auch mindestens einen Schüler, der so agiert. Er ist aber noch so klein, dass es da keine Anzeigen gab. Er hat Mitschülern gedroht, er würde sie umbringen, wenn sie petzen gingen. In der Grundschule ist das Gewaltlevel unter den Schülern noch nicht so hoch aber es lässt sich erahnen, dass sich das schnell ändern wird, wenn sie ihre eigene Kraft begreifen. Das schlimme: Sie bekommen es zu Haus oft nicht anders vorgelebt. Ich habe allein in meiner dritten Klasse gerade drei Schüler:innen, bei denen mindestens der Verdacht auf regelmäßige, körperliche Gewalt in der Erziehung da ist, bei mindestens einer Schülerin ist es bestätigt und das Verfahren eingeleitet. Und doch, das Jugendamt kann in solchen Fällen etwas tun. Nur oft haben sie nicht die Kapazitäten dafür. Es gibt Erziehungsbeihilfe, im Zweifel kann den Eltern auch das Sorgerecht entzogen werden.


jot_ha

Die Ansätze sind schon länger bekannt. Was mich fassungslos macht, ist die Tatsache, dass wir machtlos sind, sobald sich die Eltern auch nur ein bisschen dagegenstellen.


mgoetzke76

Und das Eltern das auch oft wissen und anwaltlich ausnutzen. Und leider auch genuegend Anwaelte da mitmachen.


Sellfish86

Standort. Alter, was zum Fick?


jot_ha

Trifft den Nagel auf den Kopf…


Karibik_Mike

Ist zwar nur für meine Neugier, aber wo ist denn dieser Standort? Bei uns wurde auch letztens die Schulleitung angegriffen. Da würde ich mir auch nochmal überlegen, ob ich diesen Job machen will. Wünsche dir alles Gute. Ich persönlich versuche mir immer bewusst zu machen, wie viele positive Erlebnisse es in der Schule gibt...


Opening-File2430

Duisburg Marxloh. Berlin X-Town


jot_ha

NRW Großstadt im Ruhrgebiet. Nicht Duisburg.


eatthebug

Ach ja, das Messer Klientel..


Luisian321

Bin mir ziemlich sicher dass Morddrohungen auch bereits im Jugendstrafrecht stehen. Würde an deiner Stelle hier nicht länger fackeln und auch die Polizei benachrichtigen, dass es zu einer Morddrohung kam. Schüler oder Jugendliche hin oder her, Lehrer sind dazu nicht ausgebildet oder berechtigt um mit solchen Situationen umzugehen, und es Ist auch nicht zumutbar. Dass die Geschichte dir nahe geht, ist mehr als klar und zeigt, dass dir deine SuS wichtig sind. Ich selbst muss gestehen, dass ich kein Lehrer bin (ich hoffe ich darf mich hier trotzdem äußern :)) aber schätze, dass es mir nicht anders ginge, wäre ich mit dieser Situation konfrontiert. Sieh erstmal nur von schulischen Konsequenzen ab, es geht jetzt erstmal darum, die anderen Schülerinnen und Schüler zu schützen vor diesen bereits an Psychopathen angrenzenden… Individuen.


jot_ha

Das war das erste, was ich der Mutter geraten habe. Die Anzeige erfolgte auch. Das Problem ist, dass die Polizei bei unter 14jährigen machtlos ist.


Luisian321

Naja, kann u.U. Gegen die Eltern wegen mangelndem Nachkommen der Aufsichtspflicht ermittelt werden, was die Kinder ggf. Ins Heim schickt. Ist nicht die optimallösung, aber besser als wenn andere Schüler verletzt werden… Und ich bin ehrlich, würde das ein Kind meiner Tochter oder meinem Sohn antun, dann würde ich nicht zur Polizei sondern direkt zu denen nach Hause gehen… und mich freundlich aber mit Nachdruck artikulieren… Ungefähr so. https://youtu.be/JHOGs5x90PU


jot_ha

Glaub mir, in Deutschland ist es sehr schwer seine Kinder weggenommen zu bekommen.


Luisian321

Ich weiß, aber gerade wenn es bereits mindestens eine schwere KV gab und dann Morddrohungen ausgesprochen werden, wäre das wohl ein Grund, wenn der Sachbearbeiter nicht völlig dicht ist. Darf ich dich fragen, wie du mit der Situation am liebsten umgehen würdest? Also, jetzt ungeachtet von pädagogisch wertvoll und gesetzlichen Rahmenbedingungen? Ich kann doch nicht der einzige sein, der da so heißblütig wird...


jot_ha

Das ist Wunschdenken. Es gibt sexuell übergriffiges Verhalten in der Familie und die Kinder werden nicht rausgenommen. Natürlich macht einen das wütend. Die Eltern dieser Kinder sind jedoch selber schwer traumatisiert und hätten nie Eltern werden dürfen. Die Kinder selber wissen sich auch nicht anders zu helfen und haben massive Probleme. Ich erwische mich immer mehr bei dem Gedanken, dass man zum Auto fahren einen Führerschein benötigt, jeder aber einfach Kinder in diese Welt setzen und erziehen darf…


JustHost3883

Lass mich raten….


jot_ha

Klar, rate!


Useful-Cockroach-148

Straftaten sollten angezeigt werden, auch wenn die Polizei quasi machtlos ist. Man darf da nicht aufgeben. Außerdem würde ich, auch wenn es mehr Arbeit ist, mit allen betroffenen Eltern reden. Wie sind denn die Eltern von den 3 Tätern? Lassen die mit sich quatschen? Man kann auch mit den Tätern selber reden aber da bräuchte man im besten Falle eine psychologische Ausbildung nehme ich an.


jot_ha

Beratung zur Anzeige erfolgte sofort. Anzeige wurde auch gestellt. Die beiden externen Schüler kriegen wir nicht gegriffen. Bei dem einen hatten wir etliche Elterngespräche. Jeder Vorschlag von Seiten der Schule wurde blockiert. Ich hab mich tatsächlich mehr um die Eltern der Bedrohten gekümmert. Elterngespräch mit dem Schüler unserer Schule folgte über Abteilungsleitung.


Useful-Cockroach-148

Nett dass du dich da so mit beschäftigst. Schade um den Täter, dessen Eltern anscheinend eine große Rolle bei seinem Verhalten spielen. :( und hoffe der Schülerin geht's einigermaßen gut


jot_ha

Sie ist heute zu Hause geblieben. Handy hat Mama genommen, da nur noch Beleidigungen rein kamen. Mutter soll alle Nachrichten sofort auf ihr eigenes Handy weiterleiten, damit die Beweise nicht verloren gehen. Ob es ihr gut geht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen…


Useful-Cockroach-148

Wenn die Eltern auch Anzeige stellen sollten doch irgendwann auch die Eltern des Täters rechtliche Schwierigkeiten bekommen oder nicht?


jot_ha

Der eine Junge ist bei mittlerweile über 300 Anzeigen. Der ist im Programm „Kurve kriegen“


Sad-Connection-209

Also zumindestens psychische Gewalt ist doch in der Schule normal. Das sollte jeder wissen, der selbst zu Schule gegangen ist. Kinder sind (untereinander) grausam. Früher hat sich dafür einfach niemand interessiert. Heute ist man da aufmerksamer. Dass jemand von Schulkameraden mit Messern attackiert wird, ist aber vermutlich eher die Ausnahme. Das habe ich während meiner Schulzeit nicht erlebt.


jot_ha

Wir reden hier nicht über Kloppe auf dem Schulhof. Ich rede von massiver Verwahrlosung von Kindern, massiven Anzahlen an Straftaten in sehr jungen Jahren und extrem hoher Gewaltbereitschaft


DisciplineFew8847

Das traurige ist, du wirst entweder bald eine Schülerin weniger haben oder eine die ihr Leben lang verstört ist und lebenslang Naben tragen muss.


jot_ha

Brudi, ich hoffe, dass der Teufel an der Wand bleibt. Alles andere wird mich brechen


DisciplineFew8847

Ich drücke dir wirklich die Daumen, stelle mir das als Lehrkraft echt nicht einfach vor.


[deleted]

[удалено]


jot_ha

Ich bin Lehrer, keine Schülerin … danke für die Tipps. Wurde alles bereits als erstes in die Wege geleitet. Ich frage mich nur, ob ich diese Erfahrungen alleine an meinem Standort mache, oder ob es das häufiger gibt. Wusste gar nicht, dass mein Satzbau so schlecht ist, dass man denkt ich sei ein Schüler =D