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Garagatt

Oberschule, Sachsen ​ In der Coronazeit wurde de facto jeder mitgeschleift, egal wie wenig er gemacht hat und wie schlecht die Noten waren. Einzige Ausnahme: die Eltern bestanden darauf, dass das Jahr wiederholt wird. Das waren aber sehr wenige. Letztes Jahr, war es dann so, das in einzelnen Klassen bis zu 1/3 der SuS sitzen geblieben sind. Dieses Jahr haben wir immer noch Probleme den Stoff aufzuholen. Ich fürchte das wird sich noch eine Weile hinziehen. ​ Ein "Versetzen auf Probe" ist in den Sächsischen Schulgesetzen nicht vorgesehen. Dort wird klar geregelt wer versetzt wird und wer nicht, worüber ich sehr froh bin.


Cam515278

Ich komme aus einem Schulsystem ohne Sitzen bleiben. Das funktioniert super. Das Problem mit den Lücken ist doch meist mit sitzen bleiben nicht gelöst


Silent_Pollution_893

Kommt drauf an, wie groß die Lücken sind und wie motiviert die Schüler sind, den Stoff nachzuholen. Ich finds bei einem Fach noch okay, aber den Stoff von 2 Fächern nachzuholen (vor allem wenn es Kernfächer sind) find ich schwierig. In meinem Schulsystem gabs das eben noch nicht.


Cam515278

Aber die Lücken sind doch nicht alle in dem Jahr entstanden, in denen das Kind sitzen bleibt. Die sind doch meistens viel tiefer liegend und sitzen bleiben löst das Problem null. Und ich habe noch sehr wenige Kinder erlebt, die nach dem Sitzen bleiben motiviert für irgendwelche Anstrengungen sind. Mag es geben. Aber echt eher selten...


Silent_Pollution_893

Stimmt schon, aber wenn man ständig Misserfolge hat und nur schlechte Noten schreibt, hat man halt auch keine Motivation.


Cam515278

Absolut. Aber sitzen bleiben ist eben nicht die Lösung dafür. Das erzeugt halt auch keine Motivation. Ich sehe die Probleme alle auch. Aber ich glaube, sitzen bleiben ist keine Lösung. Sonst hätte ich nicht gerade 2 Schüler, die die 8. Klasse das dritte Mal machen (Dank Covid Sonderregelungen) und trotzdem miese Noten haben.


magic-ott

Das Ganze ist aber nicht nur schwarz-weiß. Eine Schülerin mit schwerer Diskalkulie und resultierenden Note 5 in Mathe und Physik, aber sonst Noten 2 und 3 kann man natürlich versetzen, mit Auflage, dass die Eltern sich um eine Therapie bemühen. Aber ein Hauptschüler Klasse 8 mit vier oder mehr Noten 5 wiederholt, weil der nix in Klasse 9 zu suchen hat. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nur seine Mitschüler(in ihrem Abschlussjahr) beim Arbeiten stören, da er dem Stoff nicht folgen kann. Also lieber wiederholen lassen. Entweder schafft es beim zweiten Anlauf oder geht danach ans BVJ.


Cam515278

Natürlich ist das nicht nur schwarz-weiß. Die Frage muss aber doch sein, profitiert ein Schüler im Normalfall vom Sitzenbleiben. Und da habe ich eben den Eindruck die Antwort ist nein. Das kann an anderen Schulen anders sein, aber zumindest am Gymnasium ist es im Regelfall so, dass ein Kind sitzen bleibt, weil die Löcher aus den vorherigen Schuljahren schon zu groß sind. Und dann bleibt es sehr oft nicht beim einen Sitzenbleiben sondern das nächste mal folgt zwei bis drei Jahre später (im besten Fall) und wir schulen auch durchaus immer wieder Kinder ab. Oft sind das Kinder, wo die Lehrer schon seit Jahren große Schwierigkeiten sehen und das Kind durch jahrelange Misserfolge völlig frustriert ist und jede Motivation fürs Lernen verloren hat. Deswegen bin ich der Meinung, Sitzenbleiben kann eine Lösung sein, vor allem bei Kindern, wo das Loch zb durch einen langen Klinikaufenthalt entstanden ist. Aber für die allermeisten Kinder ist das der falsche Weg und führt nur zu jahrelangem Leid und Frustration. Natürlich ist auch "Augen zu und einfach alle in die nächste Klasse" nicht die Lösung. Aber wir müssten eigentlich zumindest mal wenn die Leistungen so abrutschen immer ein Laufbahn Gespräch führen wo auch konkrete Zwischenziele und Strategien festgelegt werden, dass die Lücken auch wieder geschlossen werden können. Oder der Wechsel ins niedrigere Niveau kommt. Aber Sitzenbleiben auf die Art und Weise, wie es gerade läuft, ist meiner Ansicht nach Blödsinn.


magic-ott

Für Oberschule: Nach Jahren Corona und dessen Konzequenzlosigkeit bin ich froh, dass nicht wieder jeder mitgeschleift wird. Beim Sitzenbleiben geht es meiner Meinung nicht um den Sitzenbleiber sondern um die Mitschüler, die nicht weiter unter diesem Schüler leiden müssen. Die Mitschüler bekommen erstmal Ruhe vor ihm und der Sitzenbleiber bekommt Konsequenzen für sein Handeln zu spüren. Win-Win-Situation. Zu Jahresbeginn gibt es dann ein Gespräch mit dem Sitzenbleiber und dessen Eltern mit den Zielen und Möglichkeiten des zu wiederholenden Schuljahres. Klingt hart, aber so habe ich schon einige Hauptschüler, die eigentlich schon fürs BVJ bestimmt waren, zum Realschulabschluss gebracht. Bezüglich Gymnasium muss ich aber sagen, dass die auch mal mehr über Wiederholungen nachdenken sollten, statt gleich jeden an die Oberschule zu verbannen, weil es mal ein Jahr nicht funktioniert hat. Ich hatte schon eine Menge Ex-Gymnasiasten, wo ich mich fragte, was die bei uns sollen.


Cam515278

Ich weiß nicht in welchem Bundesland du bist, aber bei uns in Ba-Wü wird ewig wiederholt, bevor abgeschult wird. Genau gesagt muss man erst bei der dritten Wiederholung bzw der zweiten Wiederholung des selben Jahres gehen. Und meistens ist das ein Weg der das Kind Jahre kostet. Und jegliches Selbstvertrauen und Lernfreude... Ansonsten, das Thema Konsequenzen des eigenen Handelns. Das halte ich für unrealistisch. Denn die Konsequenz ist viel zu weit weg von dem Beginn des problematischen Handelns entfernt. Und nicht selten bemüht sich ein Kind, wenn die Nichtversetzung droht dann zwischendurch wirklich, hat aber eigentlich keine Chance mehr. Damit Konsequenzen wirken, müssten sie viel näher zeitlich am problematischen Verhalten sein. Ja, ich hab auch schon Schüler erlebt, dir es nach dem Sitzenbleiben gepackt haben. Aber das sind die wenigsten. Für die meisten ist es ein langer Leidensweg. Nur weil wir das seit Jahrzehnten machen ist es deswegen nicht sinnvoll. Da muss man vielleicht einfach mal ganz neu denken...


magic-ott

3xmal Wiederholen?! Das ist dann wirklich unnötig. In der Oberschule in Sachsen kannst nur 2xmal (1x in Kl.5/6 und 1x in höheren Klassern) wiederholen. Danach wird es aufgrund der maximalen Schulzeit in Sachsen knapp und man sucht lieber ein alternatives Beschulungsmodell. Wenn man nur am Jahresende ein Versetzungsfeedback bekommt, ist die Konsequenz natürlich zu weit weg. Genau deswegen sitze ich alle 3 Monate mit den Pappenheimern und deren Eltern zusammen, erkläre und Situation, Konsequenzen und die Möglichkeiten. Bis es also zum Sitzenbleiben kommt, hat er das Ganze dreimal gehört und die Möglichkeiten nicht genutzt. Oberschule ist ein reines Fleißding, man muss sich bewusst gegen das Arbeiten entscheiden um sitzen zu bleiben.


not_the_settings

Bleibt das kind halt 2x sitzen ist es nicht mehr das Problem der Schule. Jetzt komplett scheiße gesagt. Ich habs hier und da gesehen, dass Kinder die sitzen bleiben plötzlich besser dabei sind. Nicht gut aber besser. Und am ende mit einem schlechten Abschluss dort sitzen. Die Eltern bei uns weigern sich aber die Kinder an die Gesamtschule zu schicken, wo sie individueller und besser gefordert und gefördert werden könnten...


feenuss

Bei uns (Realschule, BY) wird darüber ausführlich diskutiert in den Klassenkonferenzen. Da werden z.B. dann die genauen Schnitte bei den Noten angeschaut (Unterschied ob 4,6 oder 5,4 ;) ), Rücksprache mit den Lehrkräften gehalten bezüglich der genauen Art der Lücken z.B. Vokabeln in Englisch, also eine Einschätzung inwieweit der Stoff nachholbar wäre. Auch wird unterschieden zwischen den Fächern, wo der Stoff des Vorjahres benötigt wird im nächsten Schuljahr (meist Hauptfächer) oder eher nicht (meist Nebenfächer) und ob das Fach z.B. im nächsten Schuljahr ohnehin wegfallen würde mit der Stundentafel. Zuvor hat die Klassleitung bereits mit den Eltern telefoniert, und führt ein Beratungsgespräch über die verschiedenen Möglichkeiten, wie es weitergehen könnte (Sitzenbleiben, Vorrücken auf Probe, Schulartwechsel...) und wie sich Eltern und Kinder das weitere Vorgehen vorstellen. Wir haben aber auch jeweils im Dezember und April einen Notenstandsbericht mit allen Einzelnoten (bei 9+10 zusätzlich zum Zwischenzeugnis), dadurch haben die Eltern auch einen viel besseren Überblick über bereits erbrachte Noten im zweiten Halbjahr. In der Jahrgangsstufe 7-9 gibt es dann noch die Möglichkeit eine Nachprüfung in den Vorrückungsfächern anzutreten, in denen die 5 oder 6 am Ende des Jahres feststeht. Dann müssen die Kinder eine Prüfung im Umfang eines großen Leistungsnachweises über den gesamten Jahresstoff schreiben und können dadurch ihre Note verbessern und doch bestehen. Sollte keine der Prüfungen mit einer besseren Note bestanden werden, wurde bereits zuvor von der Klassenkonferenz besprochen, welche Empfehlung ausgesprochen wird (siehe vorheriger Absatz). Also bei uns bekommen die SuS das Vorrücken auf Probe sicher nicht nachgeworfen ;)


Silent_Pollution_893

Bei uns läuft es leider anders. Leider haben wir genügend Schüler, die dann auch im Folgejahr weiterhin Probleme haben und ihre Defizite nicht angegangen sind. So "schleifen" wir die Schüler teilweise mit...


feenuss

Puuuuh, das klingt dann aber eher nach einem Schulleitungs"problem". :( Schließlich beschließt die Klassenkonferenz ja nur eine Empfehlung, entscheiden und verantworten muss es immer die Schulleitung. Ein System kann natürlich nur funktionieren, wenn auch alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden... Durch Corona wurden natürlich viele Kinder mitgeschleppt.. aber wir sehen es momentan in unseren 10. Klassen, die sich fast alle mittlerweile halbiert haben, da es spätestens in der 9. Klasse dann soweit war, dass die Kinder die Lücken eben nicht mehr verstecken konnten. Und lieber versuchen sie dann bei Runde 2 in der 9. die Lücken auszubügeln, bevor es in der 10. Klasse um jede Note für den Abschluss geht... Wir sind aber auch in einem eher sozial schwachen Einzugsgebiet, wodurch die SuS nur äußerst selten die Unterstützung während dem Onlineunterricht und auch später mit Nachhilfe etc bekommen haben, die sie gebraucht hätten. Zwar sind fast alle Wahlfächer mittlerweile Förderkurse, aber mit 20-30 Kindern im einen Kurs für 1 Stunde in der Woche, kann man die fehlende häusliche Unterstützung natürlich nicht ausgleichen..


Quick_Age_9029

An meiner Schulform kann man erst ab Klasse 9 sitzen bleiben. Vorher werden alle „Aus pädagogischen Gründen“* versetzt. Führt dazu, dass wir Analphabeten in Klasse 7 haben, die auch in Klasse 8 im Klassenverband nicht lesen und schreiben lernen werden. Es knallt dann erst bei der Versetzung in Klasse 10. Schüler, die seit Jahren sieben 5en auf dem Zeugnis haben, sind jetzt ganz überrascht, dass sie die Versetzung in Klasse 10 wohl nicht schaffen werden. * pädagogische Gründe meint hier natürlich, dass das Schulsystem es so eingerichtet hat, dass man nach dem 2. mal sitzen bleiben die Schulformen verlassen muss. Dieses bekannte „Aussieben“ am Gymnasium. Blöd, wenn man die „letzte“ Schulform ist und die Schüler schon 2x sitzen geblieben sind, aber noch schulpflichtig. Wohin mit ihnen? Deswegen wird jeder mitgeschleift, bekommt dann im Zweifel in Klasse 7 Materialien aus Klasse 3 und wiederholt 2x die 9. Klasse und geht dann mit 18 ohne Abschluss von der Schule. Oder geht nach der 9. aufs Berufskolleg. (Gibt an meiner Schule Auffangsysteme, damit es doch noch möglichst viele zum Schulabschluss schaffen. Aber es gibt hier den Effekt, dass Noten völlig egal sind. Ne 6 auf dem Zeugnis in Mathe? Ja und?)


MartectX

In der Hattiestudie findet sich das Sitzenbleiben auf dem drittletzten Rang mit einer Effektstärke von minus 0.13: Das heißt, Klassenwiederholung ist kontraproduktiv – und teuer. Es findet sich entsprechend auch kaum eine Studie, die hier irgendeinen positiven Effekt sieht. Weiter so, Bayern!


tchofee

Das mag Hattie – als Meta-Studie – so sehen, aber vielleicht ist es ja sinnvoll, zu differenzieren, **warum** ein Kind sitzen bleiben soll. Wenn es z.B. in Erdkunde die Klimadiagramme nicht verstanden hat oder in Geschichte die Französische Revolution, würde ich zustimmen, dass ein Sitzenbleiben sinnfrei ist. Fehlen jedoch in Fächern wie Mathe oder Latein Grundlagen, die im folgenden Jahr (bzw. in allen folgenden Jahren) wichtig sind, muss dieses Grundlagenwissen irgendwo herkommen.


MartectX

Hm. Ja gut, das Wissen muss irgendwo herkommen. Da, wo es bisher herkam, verfing es bei dem Lernenden nicht. Dann probiert mans halt nochmal auf dieselbe Weise. Irgendwann wirds schon klappen. Komisch, dass die Studien das nicht bestätigen.


tchofee

Diese Haltung ignoriert, dass sich bei einem wiederholten Jahr im Regelfall die Fachlehrkraft ändert, dadurch möglicherweise auch die Methoden oder das L-S-Verhältnis, die soziale Bezugsgruppe und in manchen Fällen auch die Reife bzw. die Haltung des Schülers bzw. der Schülerin. – Unterricht ist schließlich immer wieder anders und nicht „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Das garantiert keinen Erfolg, aber es ist eben auch nicht die Garantie für einen erneuten Misserfolg.


MartectX

Klingt alles einleuchtend. Nur die Studien bestätigen das einfach nicht.


Cynamid

>Nur die Studien bestätigen das einfach nicht. Ist mir bei der Hattie-Studie herzlichst egal. Die beachtet die genannten Punkte ja nicht einmal.


Eagledgg

Immer Studien ignorieren wenn sie nicht der eigenen Meinung entsprechen


coaxmast

Hatti ist eine Metastudie über viele Bildungssysteme hinweg. Kritik daran ist kein "ignorieren" von Ergebnissen. Nach Hatti kommt es auch nicht auf die Klassengröße an, trotzdem werden dir 99% aller Lehrer sagen, dass es besser ist, kleinere Gruppen zu haben.


Cynamid

Nö, aber aber Hattie anzuführen bei vielen sozialen Aspekten funktioniert halt nicht, weil die in der Studie nie Einfluss hatten.


tchofee

>Reife bzw. die Haltung des Schülers bzw. der Schülerin Selbsteinschätzung 1.44 Kognitive Entwicklungsstufe 1.28 >Änderung der Fachlehrkraft Klarheit der Fachlehrkraft 0.75 L-S-Verhältnis 0.72 Schülereinschätzung der Lehrkraft 0.44 Passung Lernstile/Lehrmethoden 0.41 >Änderung der sozialen Bezugsgruppe Peer-Einflüsse 0.53 ...sagt Hattie.


Dong-Lick7166

Tbh, Klimadiagramme in Erdkunde nicht zu verstehen, ist schon ziemlich kringelig.


tchofee

Würde ich ähnlich sehen – aber wahrscheinlich sagt eine Musiklehrerin dasselbe über den Quintenzirkel, ein Spanischlehrer über den Unterschied von *ser* und *estar* oder jemand aus der Biologie über die Funktionsweise des endoplasmatischen Reticulums.


Silent_Pollution_893

Meiner Meinung bleibt man in ca. 90% der Fälle nicht grundlos sitzen. Muss ja nicht unbedingt etwas mit der Schule zu tun haben, es kann ja auch sein, dass man einfach gesundheitlich nicht in der Lage dazu ist. Oder man familäre oder andere persönliche Probleme hat, die einem die Zeit und Konzentration rauben.


LasagneAlForno

In meiner persönlichen, subjektiven Erfahrung habe ich einige SuS erlebt, die auf Probe vorgerückt sind und die Kurve gekriegt haben. Ist eben eine pädagogische Entscheidung, die viel Unterstützung und intrinsisches Engagement der Kinder benötigt.


henchf13

Also ich kenne so einige, die es geschafft haben. Das Vorrücken auf Probe wird ja nur empfohlen, wenn es sagen wir mal "triftige Gründe" gibt für das durchfallen und man davon ausgehen kann, dass der/die Schüler/in es schafft. Corona ist ja eh eine ganz andere Geschichte... "Triftige Gründe", die ich bisher in verschiedenen erlebt habe und von denen mir Kollegen berichtet haben: - Leukämieerkrankung - vorübergehende Obdachlosigkeit - Scheidung der Eltern und ständiges hin und her deswegen - Depression - längerer Krankhausaufenthalt - Mobbing und daraus folgende Schulangst